Tja, Leute,
nachdem ich jetzt ein paar Tage hier mitgelesen habe, und auch mal etliche Threads in anderen Themen zumindest quergelesen habe, muss ich wohl meine Sichtweise auf Overalls doch mal etwas revidieren, oder sagen wir lieber: Erweitern.
Es ist ja nicht so, dass Overalls neu für mich sind. Genau genommen habe ich seit je her welche gehabt, nur war mir überhaupt nicht klar, dass man so unterschiedlich darauf reagieren kann. Für diese Einsicht muss ich mich an dieser Stelle mal bei den Forenteilnehmern bedanken, da wäre ich vielleicht sonst nicht so leicht drauf gekommen. Ich wäre auch nicht drauf gekommen, dass das alles sowohl für die Träger gilt, als natürlich auch für die Menschen in seiner Umgebung.
Oder wäre es vielleicht besser gewesen, nicht drauf zu kommen?
Hin oder her: Das erklärt möglicherweise so einiges.
Ich habe irgendwann, als ich noch Schüler war, mal einen Ferienjob gemacht, dafür brauchte ich eine Latzhose. Okay, gekauft, benutzt. Später habe ich auch mal eine Latzjeans gekauft, einfach so zum anziehen, war mal was anderes.
Einen Overall habe ich erstmals gekauft, als ich ihn brauchte, das war auch ein Arbeitsoverall. Gebraucht. Gekauft. Benutzt. Dann wurden irgendwann Ski-Klamotten gebraucht. Die Überlegung "Wenn ich Anfänger mich schon dauernd langmache, bleibt der Schnee wenigstens draußen!“ führte dazu, dass ich einen Skioverall gekauft habe. Das Gewurschtel mit Hosenträgern, die andernfalls unter einer Jacke getragen würden, gefiel mir auch konzeptionell nicht.
Ich habe dann im Laufe der Zeit noch ein paar Overalls und Latzhosen gekauft, aus rein praktischen Überlegungen. Nach dem Skioverall noch div. Arbeitsoveralls, einen Fliegeroverall, einen regendichten Overall, einen Thermooverall, etliche Lackieroveralls, ja, auch drei Neoprenoveralls habe ich zum Surfen schon gekauft, ohne mir dabei was zu denken. Ich habe auch nie darüber nachgedacht, ob andere was dabei denken.
Alles das habe ich in meiner Betrachtung bisher nicht als Overall-Käufe im Sinne dessen, dass ich sie als Overalls gekauft habe, betrachtet. Ich habe es immer so gesehen, dass ich einfach dem Zweck angemessene Kleidung gekauft habe. Das waren denn eben mal Latzhosen, mal Overalls, mal auch nicht.
Ich weiß nicht, ob ich das jetzt noch so sehen kann. Ich bin ja jetzt eigentlich das erste Mal losgezogen, um explizit Overalls zu kaufen. Daher habe ich in der bisherigen Diskussion diese früheren Käufe auch gar nicht weiter betrachtet. Die Diskussion begann für mich mit den (an sich ja sonst ‚zweckfreien‘) Kuscheloveralls, von denen ich den ersten anlasslos gekauft habe, und ging dann weiter zu den ‚modischen‘ Overalls, also all denen, für die es keine praxisbezogene Motivation gab, außer der Frage, ob man seinen Kleiderschrank nicht noch um eine interessante Option außerhalb des aktuellen Mainstream erweitern könnte.
Es gibt da nun rückblickend Ereignisse, die jetzt vielleicht in einem anderen Licht dastehen. Da war z.B. die Frau, die wahrscheinlich auf Männer in dreckigen Overalls stand, ohne das aber vor dem Hintergrund ihrer konservativen Sauberkeitserziehung je zugeben zu können, sondern immer von Männern bei der Arbeit sprach. Da waren die Männer, die in einer Umgebung, in der eigentlich traditionell Overalls getragen wurden, diese strickt ablehnten, ohne echte Gründe, oder sich über die Teletubbies lustig machten. Da war die Bäckersfrau, die immer besonders freundlich zu jungen Handwerkern (denen in Overalls) war. Da war der Typ, der oft im Surf-Neopren am Strand war, den ich aber nie habe surfen sehen: Ich hab’ immer gedacht, der traut sich nicht auf's Wasser, wenn wir alle zugucken. Da war der Typ, der immer auf Flugtagen im Pilotenoverall herumlief, aber keine Ahnung vom Fliegen hatte.
Wenn also alle diese Leute mit irgendwelchem derartigen Ballast im Kopf herumlaufen, dann erklärt das vielleicht, warum der Overall es speziell in der Herrenmode so schwer hat. Da läuft überall Kopfkino! Unter 100 Passanten ist bestimmt mindestens einer, vielleicht mehr, der sich beim Anblick eines Mannes im Overall auf der Straße wenigstens ganz kurz fragt: Tickt der genau so wie ich? Wenn dann noch Signale dazu kommen wie z.B. etwas zu enge Passform oder ‚spezielles‘ Material, dann wird aus der Frage eine Ahnung, kommt dann noch ein Verhalten dazu wie Blickkontaktsuche oder Posing, das dies bekräftigt, dann wird es schon eine starke Vermutung, und so weiter. Aus der Gewissheit wird dann irgendwann eine Erwartung, und die verändert alles.
Das erklärt auch, warum jemand, der davon nichts ahnt, davon auch nichts mitbekommt. Das Ganze ist eine Kommunikationstheoretisch hoch interessante Fragestellung, weil es ein wenig was von Self Fulfilling Prophecy hat, und eventuell eine Tatsache wirklich erst durch das Wissen darum und die daraufhin ganz subtil und unbewusst veränderte Kommunikation bzw. Interaktion entsteht.
Zu dumm, dass ich jetzt was davon ahne. :-/ Dadurch sehe oder befürchte ich jetzt vielleicht Dinge, die mich vorher nicht belastet haben, und die darum auch tatsächlich nicht existiert haben, es aber jetzt könnten.
Rätselhafte Grüße.